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Kunstforum Band 195, 2009, Biennalen, S.
270
Anke Mellin, Man kann nicht mehr so weitermachen.
Ein Gespräch mit Jens Rönnau
ANKE MELLIN, Künstlerin und Kuratorin, Naturkunstbiennale
Gongju 2008
Anke Mellin, Jahrgang 1941, lebt in Neuenkirchen
bei Hamburg. Sie studierte an der Hamburger Hochschule für
Bildende Künste. In den 80er Jahren begann sie mit landschaftsbezogenen
Installationen zu arbeiten. Seit 1991 organisiert sie den internationalen
Künstleraustausch für
die Naturkunstbiennale in Gongju.
***
JR:Du bist eine deutsche Künstlerin und arbeitest
seit Jahren hier in Korea mit Yatoo zusammen. Was hat dich in
Deutschland auf die Spur von Naturkunst gebracht?
AM:Meine eigene Biografie. Ich bin mit meinen
drei Kindern aufs Land gezogen. Dort habe ich mich umgeschaut
und bin konfrontiert worden mit dem, was die Bauern mit dem Land
veranstalten. Das hat mich dazu gebracht die Sache zu hinterfragen
- weil ich um die Gesundheit meiner Kinder besorgt war. Dadurch
bin ich tiefer in die Problematik der Landwirtschaft eingestiegen
und habe verschiedene Projekte entwickelt. Sie sind alle aus eben
diesem persönlichen Interesse gewachsen.
JR:Wie kam der Kontakt zu Yatoo zustande?
AM:Ein Yatoo Miglied hat in Hamburg studiert.
Wir haben uns dort kennengelernt, und verabredet, dass wir uns
in Korea, wiedertreffen. Das hat dann auch geklappt und so hat
das ganze angefangen.
JR:Was hast Du hier in Korea gemacht? Ich kenne
von dir - auch aus Schleswig-Holstein - Ortsdefinitionen, man
könnte es auch Denkplätze nennen.
AM:Das war damals schon mein Thema. Ich habe hier,
und woanders auch, nie so einfach etwas hingesetzt, eine Skulptur
oder so, sondern es war immer ortsbezogen. Ich habe eigentlich
auch nie eine fertige Idee mitgebracht, sondern die immer erst
hier entwickelt, zu dem was ich hier gefunden habe und was mich
hier angemacht hat.
JR:Du arbeitest aber nicht nur als Künstlerin
hier, sondern auch als
Organisatorin und als Kuratorin.
AM:1991 bin ich gebeten worden, einen Austausch zwischen Korea
und Deutschland zu initiieren. Daraufhin habe ich 12 deutsche
Künstler gefragt, ob sie mitkommen wollen und sogar für
sie Geld besorgt. Wir sind mit Unterstützung des Landes Schleswig-Holstein
hierher gefahren. Das hat sich dann fortgesetzt, denn im nächsten
Jahr, 1992, waren wir in der Lage die Koreaner und die Japaner,
die auch bei dem ersten Treffen dabei waren, nach Deutschland
einzuladen, und zwar zum Haus am Schüberg in Ammersbek bei
Hamburg. Dort haben wir dreieinhalb Wochen miteinander gearbeitet.
Anschließend sind wir nach Kassel und Berlin
gefahren. Für die Ausländer, besonders für die
Koreaner, war das ein einschneidendes Erlebnis. Im folgenden Jahr
sind wir als fast identische Gruppe nach Japan gereist und haben
die Koreaner dort wiedergetroffen, um 1993 wieder nach Korea eingeladen
zu werden. 1995
fand das erste ganz große Treffen statt, wo 128 Künstler
aus der ganzen Welt hier versammelt waren. Natürlich habe
ich da mitgeholfen, habe Tips gegeben. Ich wurde als Mädchen
für Alles betrachtet, aber ich habe da noch keine Kuratorenrolle
gehabt, es war mehr eine organisatorische Hilfe, die ich geleistet
habe.
JR:Warum wurde das Projekt ab 2004 zur Biennale
gemacht?
AM:Die Yatoo Gruppe hat seit 1995 Ausstellungen
gemacht, so alle zwei Jahre, manchmal sogar jedes Jahr. Man hat
sich überlegt, dass die Ausstellungen einen höheren
Stellenwert in der Kunstwelt bekommen, wenn das Projekt zur Biennale
deklariert wird, und auch weil es zeigt,
dass es ein fortlaufendes Projekt ist, das stringent weitergeführt
wird.
JR:Wie muss man denn in Korea speziell den Gedanken
der Naturkunst bewerten und die Tatsache, dass sich hier eine
Künstlergruppe seit fast 30 Jahren mit diesem Thema befasst?
AM:Als erstes muss man wissen, dass die Aktivitäten
der Yatoo Gruppe eine Reaktion auf die Gegebenheiten hier im Land
waren. Die Kunst, die damals produziert worden ist, wurde in Museen,
Galerien, in den normalen konventionellen Kunstorten gezeigt.
Was hier im Wald in
Gongju passierte, spielte für die sogenannten Kunstwelt keine
Rolle. Für die hatte es keinen Wert. Kunst, die nur natürliche
Materialien benutzt hat, so wie das in der Anfangszeit der Yatoo
Gruppe war, hat hier überhaupt keine Wertschätzung gefunden.
Das zweite war aber, dass auch die Yatoo Leute registriert haben,
dass die Natur gefährdet ist, und dass sich daraus neue Ideen
entwickeln lassen, dass man durchaus in der Lage ist, mit der
Kunst etwas zur Gefährdung der Natur zu sagen. Und dass dieses
auch eine Möglichkeit ist, auf die Schönheit der Natur
hinzuweisen, was impliziert, dass die Schönheit auch gefährdet
sein kann.
JR:Also als eine Form der Sensibilisierung?
AM:Ja, so kann man das gut sagen.
JR:Nun gibt es ja mindestens zwei Arten von Werken
hier in der Naturkunstbiennale: Die eine geht sehr sensibel mit
Natur um, wagt vielleicht auch Eingriffe, verhält sich aber
im Einklang mit der Natur. Daneben gibt es Werke, die hingestellt
wirken.
AM:Das muss man aus der Entwicklung beurteilen.
Früher haben die Yatoo Leute etwas gemacht, was niemand zu
sehen bekommen hat, außer die Gruppe selbst. Im Laufe der
Zeit wurde zunehmend die Öffentlichkeit darauf aufmerksam.
Und natürlich bewirkte die Entwicklung, durch Ausstellungen
die entstandenen Arbeiten auch anderen zu zeigen, und
auch Künstler aus anderen Ländern einladen zu können,
dass Geld gebraucht wurde. Das kam und kommt vornehmlich vom Kultusministerium
in Seoul, der Stadt Gongju und auch aus der Provinz Chungnam.
Dass die Gelder nur gekommen sind, weil die Ausstellungen und
Projekte hier
eine Resonanz in der Bevölkerung fanden, war sehr deutlich
miteinander verknüpft. Und nur weil genügend Besucher
gekommen sind, wurde für das nächste Projekt Geld gegeben.
Das hat bewirkt, dass die Yatoo Gruppe auch zunehmend auf die
Besucherzahlen geschaut hat. Die Arbeiten wurden immer größer,
es kam immer mehr Geld, immer mehr Leute haben das betrachtet
und so hat sich das zu diesem Park entwickelt den man jetzt hier
sehen kann. Jetzt könnte man wagen, auch Arbeiten zu zeigen,
die vorsichtiger mit der Natur umgehen, wo auch Fragen zur Natur
gestellt werden.
JR:Dann siehst Du einen gewissen Kunstrummel auch
als Chance?
AM:Ja genau, weil jetzt der Status erreicht ist,
wo man weitergehen kann. Jetzt kann man zu den Ursprüngen
zurück gehen und vorsichtig nachfragen, was es mit der Natur-Rezeption
heute auf sich hat. Man kann mit sensiblen Arbeiten auch Menschen,
die sich unbewusst zu
dieser Fragestellung verhalten, an die Natur und ihre Probleme
heranführen. Also beides ist jetzt möglich: Man kann
diesen Park als Skulpturen-Park in der Natur betrachten, aber
auch andere Dinge entwickeln, die früher mal angedacht waren.
JR:Du selbst hast ja eigentlich eine radikalere
Haltung, was Naturkunst betrifft.
AM:Mein Ziel ist, den Schritt zu wagen, wieder
Fragen nach der Natur zu stellen die dahin führen, dass man
selber anfängt nachzudenken, was es damit auf sich hat. Man
kann daraus Schlüsse ziehen, die vielleicht eine Änderung
der eigenen Handlungsweise bewirken. Das betrifft nicht nur Korea:
Ich möchte, dass wichtige Fragen nach der Umgehensweise mit
der Natur nicht nur an die Veranstalter, sondern auch an die Künstler
gestellt werden. Und zwar: Ist es überhaupt noch möglich,
Künstler zu bitten, weite Entfernungen zurückzulegen,
um eine Arbeit in der Natur zu errichten, wo durch die Reiserei
große Teile der Natur zerstört
werden? Nur eine Flugreise auf lange Distanzen benötigt die
Menge CO2, die sonst in einem Jahr verbraucht wird. Und diese
Tatsache halte ich nicht mehr für akzeptabel. Ich versuche
neue Wege zu entwickeln, die darauf abzielen, dass immer zwei
Künstler zusammenarbeiten ohne mit dem Flugzeug zu reisen:
Einer in dem Land in dem er lebt, der andere in dem Land, in dem
eine Arbeit gemacht werden soll. Jeweils zwei Künstler oder
Künstlergruppen können durch einen Dialog etwas zusammen
entwickeln.
JR:Kunst kommt ja stark aus dem Individuum heraus
– ist es da sinnvoll mit Natur zu arbeiten, ohne den Ort
direkt berührt zu haben?
AM:Ich denke, wenn man lernt andere Medien, wie
zum Beispiel die Sprache, einzusetzen oder irgendetwas anderes,
das es jetzt vielleicht noch nicht gibt, dass man dann in der
Lage ist, etwas zu entwickeln. Ich glaube, man kann nicht mehr
so weitermachen. Wir dürfen das
einfach nicht mehr, sondern müssen neue Methoden finden,
um uns auf diese Form von Kunst einzulassen.
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